Die Installation von Lucile Schwörer-Merz bringt Natur mit Technik zusammen, kombiniert den Wald mit Künstlicher Intelligenz und will, so die Künstlerin selbst, die Besucher „dazu an[regen], über die Potenziale und Grenzen von Künstlicher Intelligenz nachzudenken.“ Schwörer-Merz kombiniert KI-generierte Inhalte mit dem, was wir uns unter „dem Wald“ vorstellen: Bäume, die Schatten werfen, Lichtreflexe, die den Besucher umgeben. Der „Deutsche Wald“ wurde im 19. Jahrhundert als Metapher und Sehnsuchtslandschaft beschrieben und zum Gegenbild französischer Urbanität deklariert. Haben wir heute noch ein solch romantisches Bild vom Wald? Insbesondere, seitdem er wieder am Sterben ist? Was in den abgestorbenen Blättern an den Zweigen in der Installation von Schwörer-Merz, über den Titel neunerlei Holz vielleicht mitthematisiert wird – denn Artenvielfalt ist anerkanntermaßen ein probater Schutz gegen schädliche Umwelt- und Klimaeinflüsse. Das aber nur am Rande, denn ausweislich ihrer Ausführungen geht es Schwörer-Merz vorrangig darum, neue Perspektiven über den Einsatz von KI in dieser Installation zu eröffnen.
Mit ihrem künstlerischen Werk bringt Lucile Schwörer-Merz ungewöhnlich kombinierte Objekte an fremde, andere Orte. Bei der Installation „dimension“ in der Orgelfabrik Durlach sind es Bäume die in den Ausstellungsort zu wachsen scheinen und kombiniert werden mit Bild- und Videoprojektionen die mittels Künstlicher Intelligenz generiert wurden und das Thema ‚groß denken‘ aufgreifen.
Konzept der Installation „dimension“:
Meine Installation besteht aus realen Bäumen, die von der Decke in den Raum zu wachsen scheinen und so eine invertierte Waldatmosphäre schaffen. Die Bäume werfen Schatten auf den Boden und die Wände, die sich mit den Projektionen vermischen und so ein faszinierendes Schattenspiel erzeugen. Die durch Künstliche Intelligenz generierten Bild- und Videoprojektionen zeigen beeindruckende Bilder und Szenen, die den Makrokosmos – die Welt des riesig Großen – thematisieren.
Makrokosmos – Mesokosmos - Mikrokosmos:
Die Galerie selbst wird zu einem Teil des Mesokosmos, des vom Menschen direkt wahrnehmbaren Bereichs. Der in die Orgelfabrik versetzte „Wald“ schafft eine Umgebung, von der aus wir sowohl unseren Makrokosmos als auch unseren Mikrokosmos beschreiben und erleben können. Die Installation soll den Gegensatz und die Verbindung zwischen Natur und Technologie reflektieren. Die Schatten der sich durch Motoren bewegende Bäume vermischen sich mit den Projektionen auf den Leinwänden in den Bäumen, dem Boden und den Wänden und erzeugen dadurch multiple Verfremdungen, die ein produktives und kreatives Sehen beim Betrachter provozieren.
Die Betrachter sind eingeladen, durch den Raum zu navigieren und die einzigartige Kombination aus KI-generierten Inhalten und natürlichen Elementen zu erleben. Das Zusammenspiel von Licht, Schatten und Projektionen erzeugt ein Schattentheater, das durch seinen zeichnerischen Charakter eine besondere Atmosphäre schafft. Diese mehrfachen Verfremdungen laden die Betrachter dazu ein, neue Perspektiven zu entdecken und ihre eigene Vorstellungskraft zu erweitern. |
Künstliche Intelligenz kann dabei helfen, neue und innovative Wege zu erkunden. Auch das Wirtschaftsmagazin brand eins hatte 1/2021 „Groß denken“ als Schwerpunktthema. Ist ‚groß denken‘ der einzige Weg, um das volle Potenzial zu entfesseln? Die Installation greift diese Fragestellung auf und zeigt, wie KI dabei unterstützen kann, großartige und visionäre Ideen zu realisieren.
Allerdings soll auch ein kritischer Blick auf die Rolle der KI geworfen werden. Während KI beeindruckende und oft überraschende Ergebnisse liefern kann, stellt sich die Frage, ob sie wirklich das volle Potenzial menschlicher Kreativität ausschöpfen kann. Können Maschinen tatsächlich ‚groß denken‘ oder handelt es sich lediglich um die Nachahmung menschlicher Ideen? Diese Installation lädt dazu ein, über die Grenzen und Möglichkeiten der KI nachzudenken. Dabei stellt sich auch die grundlegende Frage, ob ‚groß denken‘ immer erstrebenswert ist oder ob es in manchen Fällen in Größenwahn mündet. Wo liegt die Grenze zwischen visionärer Größe und überzogenem Größenwahn?
Die KI-generierten Inhalte bringen eine zusätzliche Dimension in die Installation, indem sie visuelle Interpretationen und Inspirationen liefern, die jenseits der menschlichen Vorstellungskraft liegen. Hierbei geht es nicht nur um die reine Größe, sondern um die Qualität und die Fähigkeit, neue Perspektiven zu eröffnen. Trotzdem bleibt die Frage, ob die Qualität der KI-Generationen immer mit der menschlichen Kreativität mithalten kann.
Die Installation „dimension“ trägt dazu bei, die Verbindung zwischen Technologie und Natur zu reflektieren und regt die Besucher dazu an, über die Potenziale und Grenzen von Künstlicher Intelligenz nachzudenken. Sie zeigt, wie Technologie und Natur in einem kreativen Dialog stehen können und eröffnet neue Wege, die Welt um uns herum zu verstehen und zu interpretieren. "groß denken" wird somit nicht nur ein Thema der Projektionen, sondern der gesamten Installation, die die Vision von grenzenlosem Potenzial und kreativer Größe verkörpert, aber auch die Limitationen der KI in den Blick nimmt.
Lucile Schwörer-Merz, 2024 |